Dr.
Erhard Henkes 30.05.2018 >> Impressum
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Milliwelt
Diesen
Begriff verwende ich für die Fotografie in einem
Bereich, in dem die fokussierten Lebewesen oder Gegenstände nur einen
oder
wenige Millimeter groß sind. Im Bereich der Insekten gelangt man unter
Einsatz
eines Makroobjektives, das einen maximalen Abbildungsmaßstab von 1:1
ermöglicht, bis zur akzeptabel aufgelösten Darstellung einer Ameise,
die knapp
1 cm groß ist. Bei Fliegen sieht man bei dem Abbildungsmaßstab 1:1 nur
mit viel
Geschick und bei bestem Licht die Facetten der Komplexaugen in
Einzelaugen
aufgelöst. Spätestens, wenn man z.B. eine 1-2 mm große Blattlaus
detailliert
zeigen will, hilft das Makroobjektiv mit max. 1:1 nicht mehr weiter.
Hier
beginnt die spannende Welt der Milliwelt-Fotografie.
Ein
möglicher Weg zu Abbildungsmaßstäben größer als 1:1
ist der Einsatz des Lupenobjektives MP E-65, das von Fa. Canon
angeboten wird.
Die Blendenwerte lassen sich elektronisch von F/2.8 bis F/16.0
einstellen. Ein manueller Einstellring erlaubt die gleitende
Einstellung
des Abbildungsmaßstabes von 1:1 bis zu 5:1. Bei einem Vollformatsensor
36 x 24
mm kann man damit bei 5:1 ein Objekt mit einer Länge von 7,2 mm
„formatfüllend“
darstellen.
Schauen
wir uns ein Beispiel an:
Diese
Fliege habe ich ohne Stativ – also Freihand – mit
einem manuell eingestellten Abbildungsmaßstab von ca. 2,5:1, einer
Blende von
F/13, einer Verschlusszeit von 1/200 s (Synchronzeit zum Blitz), +0,33
EV und
ISO 800 aufgenommen. Aus dem Gesamtbild habe ich hier einen
Bildausschnitt von
4049 x 2699 Pixel gewählt. Lichtquelle war ein Blitz mit Bouncer
(Diffusor).
Damit kann man also ein nur ca. ½ cm großes Insekt auf einem Monitor
oder einer
Buchseite so darstellen, dass man Details wie die Einzelaugen des
Komplexauges
oder feinste Haare noch gut erkennen kann. Voraussetzung ist, dass man
den
gewünschten Bereich in die Schärfentiefe integriert. Für das „Scharf
stellen“
gibt es keinen Einstellring, erst recht keinen Autofokus. Das erfolgt
über
sanftes Vor-/Zurückbewegen der Kamera und erfordert Körperbeherrschung
und eine
schnelle Reaktion im richtigen Moment.
Der
Abstand zum Objekt beträgt bei meinem
Lieblingsabbildungsmaßstab von 2:1 ca. 6 cm. Das erfordert einige
Übung, bis
man das Ziel trifft und scharf abbilden kann. Nachfolgend die
Übersicht:
Abbildungsmaßstab |
1:1 |
2:1 |
3:1 |
4:1 |
5:1 |
Abstand
Frontlinse zu Objekt |
10,1
cm |
6,3
cm |
5,1
cm |
4,4
cm |
4,1
cm |
Die
Schärfentiefe ist nur gering, hier die Übersicht über
die Abbildungsmaßstäbe und Blenden, alle Werte in Mikrometer (µm):
|
F/2,8 |
F/4.0 |
F/5,6 |
F/8.0 |
F/11.0 |
F/16.0 |
1:1 |
396 |
560 |
792 |
1120 |
1584 |
2240 |
2:1 |
148 |
210 |
297 |
420 |
594 |
840 |
3:1 |
88 |
124 |
176 |
249 |
352 |
498 |
4:1 |
62 |
88 |
124 |
175 |
247 |
350 |
5:1 |
48 |
67 |
95 |
134 |
190 |
269 |
Lassen
Sie sich von diesen Zahlen nicht abschrecken. Hier
eine Frontalaufnahme der Fliege von oben mit Abbildungsmaßstab 5:1,
F/13, 1/200
s (Blitzsynchronzeit), +0,33 EV, ISO 800, und zwar Freihand! Die
Schärfentiefe
liegt dann allerdings bei nur knapp über 0,2 mm, aber die Ergebnisse
sind
faszinierend.
Da
man eher mit weitgehend geschlossener Blende arbeitet,
benötigt man zumeist einen Blitz als zusätzliche Lichtquelle. Ich
verwende hier
z.B. meinen standardmäßig eingesetzten Canon Speedlite
600EX-RT an einem Kabel und auf einer Blitzschiene mit Griff und
Kugelkopf
relativ frei einstellbar angebracht.
Das
Ergebnis (beginnende Blüte eines Sommerflieders im
Abbildungsmaßstab 3:1, Freihand, Blitz mit Bouncer):
Damit
ist das Tor zur faszinierenden Milliwelt
geöffnet.
Abbildungsmaßstäbe
Der
Abbildungsmaßstab ist die Relation der
Abbildungsgröße eines Objektes auf der Sensor-
oder Filmebene
zur realen Größe des Originals. Nachfolgend zeige ich
eine Serie einer Blüte (Durchmesser von Blattspitze zu Blattspitze ca.
28 mm)
einer Sukkulentenart aus dem eigenen
Garten, die hier
in verschiedenen Abbildungsmaßstäben von ca. 1:1 bis zum Endanschlag
5:1
aufgenommen wurde:
Während
das erste Foto (1:1) eine Breite von 36 mm
(Vollformatsensor) aufweist und damit die knapp 3 cm messende Blüte
vollständig
darstellen kann, zeigt das letzte Foto (5:1) eine Breite von 7,2 mm.
Die gelben
Staubbeutel sind damit ca. 1 mm groß. Durch Anfertigen von
Bildausschnitten (crops, digitale
Vergrößerung) kann man ca. 1 mm großen
Gegenständen oder (Teilen von) Lebewesen eine enorme Größe verleihen.
Ich zeige
dies an einem Staubbeutel des letzten Bildes (5:1), indem ich einen
Bildausschnitt (crop) von 1500 x 1500 Pixel
anfertige:
Damit
wird dieser 1 mm große Staubbeutel nun auf dem
Monitor mehrere cm groß. Bei 10 cm wäre dies eine Vergrößerung von
100:1
bezogen auf das reale Objekt.
Motive
Die
Abgrenzung zwischen der Verwendung hervorragender
Makroobjektive (bis 1:1) gegenüber dem Lupenobjektiv oder analogen
Lösungen,
die einen Abbildungsmaßstab größer 1.1 erlauben, ist nicht einfach.
Dieses
Bild hier wäre mir mit dem Canon 100er Makro so
nicht gelungen. Das Lupenobjektiv MP E-65 bietet hier eine Schärfe, die
überzeugt.
Die Facettenaugen lassen sich damit im Vorbeigehen Freihand am lebenden
und nicht
unterkühlten Objekt auflösen. Das Licht ist sicher noch optimierbar.
Ich finde
die Detailtiefe allerdings bereits überzeugend. Für biologisch
interessierte Zeitgenossen
hoffentlich interessant. Die Goldfliege ist aber noch ziemlich groß,
nämlich 7-11 mm.
Richtig interessant wird es mit kleinen Ameisen. Die sind nur etwa halb so groß. Hier habe ich die seltene Vierpunktameise fotografiert:
Ich finde, es macht wirklich Spaß in diesen kleinen Maßstab hinab zu tauchen, denn die Details der Ameise sind ohne optische Hilfsmittel kaum noch wahr zu nehmen.
Beispielsweise
kann man zählen, wieviele Facetten so ein Ameisenauge eigentlich hat.
Das letzte Bild ist die Haut einer Schnecke.